Stefan Höhm (sh): Am Dienstag gewann die ungarische Wasserballnationalmannschaft ihr Viertelfinale gegen Russland bei der Heim-WM in Budapest deutlichmit 14:5. Auch wenn es nach einer ziemlich klaren Angelegenheit klingt, Spiele gegen die einstige Obermacht im eigenen Lande sind nie eine „normale Sache“.
Schuld daran ist das Spiel, welches als „Blutbad von Melbourne“ in die Sportgeschichte einging. Damals trafen die Magyaren am Nikolaustag auf die UdSSR. Äußerst brisant war das Spiel deshalb, weil die Sowjetunion nur Wochen zuvor den Aufstand in Ungarn gegen das kommunistische Regime blutig niederschlug. Einige der jüngeren Spieler mussten damals buchstäblich von den Barrikaden in Budapest geholt werden, damit sie überhaupt in Australien um olympische Ehren kämpfen konnten. Als man dann nach einer fast zweiwöchigen, als chaotisch zu bezeichnenden Reise in Australien ankam, war auch klar, dass die Rote Armee den Aufstand blutig niedergeschlagen hatte.
Das Halbfinale war somit also mitten im Kalten Krieg emotionale höchst aufgeladen, von Anfang an war es von größter körperlicher Härte geprägt. 5 Minuten vor dem Ende führte Ungarn klar mit 4:0. Dann schlug der Sowjetspieler Walentin Prokopow seinem Gegenspieler Ervin Zádor mit der Faust ins Gesicht, nachdem dieser ihn auf Russisch beleidigt hatte – auch das gehörte damals zur Strategie der Ungarn, die die Sprache der Besatzungsmacht in der Schule gelernt hatten. Zádor trug eine blutende Platzwunde davon. Die Bilder vom blutenden Zádor gingen damals um die Welt. Der Faustschlag brachte Stimmung in der übervollen Halle – darunter waren auch viele ausgewanderte Ungarn – endgültig zum Überkochen: viele Zuschauer stürmten an den Beckenrand und bedrohten nunmehr die sowjetischen Spieler. Die Begegnung wurde deshalb abgebrochen und mit einem Sieg für Ungarn gewertet, dass danach im Finale gegen Jugoslawien 2:1 Gold gewann.
Beim Empfang der Olympiasieger in Budapest fehlten dann aber 6 Teammitglieder, darunter auch Zádor. Die anderen Fünf kehrten später alle wieder in ihre Heimat zurück, Zádor sah Ungarn nie wieder. Selbst als die damalige ungarische Regierung unter Ferenc Gyurcsány die überlebenden Spieler zur 50-Jahres-Feier einlud, lehnte Zádor ab, da er nicht von Leuten gefeiert werden wollte, die bis 1989 in kommunistischen Organisationen tätig waren.
In den USA war Zádor ein erfolgreicher Schwimmtrainer. Er betreute u.a. den jungen Mark Spitz, der 1972 bei den Olympischen Spielen damals unvorstellbare sieben Goldmedaillen gewann – alle mit einem Weltrekord.