Stefan Höhm (SH): In Ungarn gibt es drei Nationalfeiertage. Am 15. März wird der Revolution gegen die Habsburger 1848/49 gedacht, am 23. Oktober dem ebenfalls gescheiterten Aufstand im Jahr 1956. Der wichtigste Nationalfeiertag ist jedoch der 20. August.
Dann wird nicht nur der Staatsgründung gedacht, sondern auch an den Staatsgründer, König István I. (Stefan I.), es handelt sich sozusagen um einen doppelten Nationalfeiertag. Warum das ausgerechnet der 20. August ist, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. Sicher scheint nur, dass István I. die Christianisierung der ungarischen Stämme und mit seiner Heirat von Gisela von Bayern, einer Schwester des deutschen Kaisers Heinrich II., die Anbindung an die Westkirche besiegelte. Wann genau er sich aber 1000/1001 zum König von Ungarn krönen ließ, darüber streiten Historiker allerdings bis heute.
Gänzlich unbekannt ist der genaue Geburtstag von István I., angegeben wird er mit „um 969“. Wenn auch das genaue Datum umstritten ist, so gehört es doch zum unbestrittenen Lebenswerk von István I., der am 15. August 1038 starb, ein ungarisches Königreich geschaffen zu haben, welches in seiner wechselhaften Geschichte bis 1918 existierte, formell sogar bis 1944. Die Ursprünge der ungarischen Nation sind (auch) bei ihm zu finden. Die Stephanskrone, die er der Überlieferung nach getragen haben soll, findet sich noch heute im ungarischen Wappen, auch wenn man mittlerweile weiß, dass die Stephanskrone wahrscheinlich erst im 12. Jahrhundert entstanden ist.
Der 20. August hat in der ungarischen Geschichte aber spätestens seit dem Jahr 1083 eine herausragende Stellung, denn an diesem Tag wurden István I. und sein Sohn Imre heiliggesprochen. 1771 war es dann Maria Theresia, die den 20. August zum nationalen Feiertag erhob. Nach 1848/49 schafften ihn die Habsburger ab, aber Kaiser Franz Josef führte ihn 1891 wieder ein. Später trauten sich selbst die Kommunisten nicht, diesen Feiertag zu streichen. Man versuchte zwar, ihn als „Tag der Volksrepublik und Verfassung“ umzudeuten, bezogen auf die am 20.8.1949 verabschiedete sozialistische Verfassung. Doch diese Deutung gelang nur rechtlich, in ihren Herzen gedachten die Ungarn immer ihrem 1. König und Staatsgründer.