Ungarn wählt: Nimmt man die Meinungsumfragen vor der Abstimmung als Maßstab, dann darf die derzeitige konservative Regierungskoalition aus Fidesz-Partei und KDNP mit einer Neuauflage ihres Bündnisses rechnen. Ministerpräsident Viktor Orbán ist seit 2010 im Amt, zuvor führte er die ungarische Regierung bereits von 1998 bis 2002 an.
Bei der vorangegangenen Wahl vor vier Jahren lag Orbáns Partei Fidesz mit knapp 45 Prozent klar vorn, gefolgt von den Sozialdemokraten, die auf rund 26 Prozent kamen, und der rechtsgerichteten Jobbik-Partei, auf die 20 Prozent der Stimmen entfielen.
Zwischen der Wahl 2014 und der jetzigen Abstimmung liegt vor allem die Flüchtlingswelle, die auch Ungarn stark betraf. Die Grenzen wurden befestigt. Flüchtlingsquoten, wie von der Europäischen Union vorgesehen, lehnt Orbán ab. Für Schlagzeilen sorgte auch immer wieder die Rolle des einflussreichen US-Milliardärs mit ungarischen Wurzeln, George Soros. Orban wirft Soros vor, gezielt Millionen von Flüchtlingen nach Europa einschleusen zu wollen. Soros ist so etwas wie der Intimfeind Orbáns – und kommt immer wieder seinen Reden vor: „Wir werden gegen das, was George Soros‘ Reich tut und mit Ungarn vorhat, ankämpfen. Dies ist unser Heimatland, dies ist unser Leben, ein weiteres haben wir nicht. Wir werden darum bis zum Ende kämpfen und niemals aufgeben“, so Orbán.
Der ungarische Regierungschef pflegt ein gutes Verhältnis zu Russland – zwischen Budapest und Brüssel gestaltet sich die Beziehung dagegen durchaus schwierig. Es stelle sich die Frage, meint der politische Kommentator Zoltan Ceglédi, ob Ungarn ein europäisches Land bleiben oder sich noch stärker an Putin und Russland binden wolle und damit nicht-demokratische Lösungen suchen möchte, wofür Putin und in anderer Ausprägung auch die Türkei Experten seien, so der Analyst. Ein weiteres großes Thema im Wahlkampf war Korruption.
Immer wieder wurden Vorwürfe gegen Mitglieder der Regierung laut. Unter anderem die Medien des Unternehmers und ehemaligen Orbán-Mitstreiters Lajos Simicska berichteten immer wieder über vermeintliche Verfehlungen. Welche Rolle spielt Jobbik? Die Partei hat versucht, das Etikett des Rechtsaußens loszuwerden und in Richtung Mitte zu rücken.
Meinungsforscher sehen Jobbik als zweitstärkste politische Kraft des Landes. Im linken Lager haben sich Bündnisse gebildet, um Kräfte zu vereinen. Sie setzen auf Gergely Karácsony als Spitzenkandidat, der 42-Jährige soll als Vertreter einer neuen Politikgeneration punkten. Dass Karácsony, dessen Nachname übersetzt Weihnachten bedeutet, Orbán und Fidesz den Wahlerfolg streitig machen kann, ist den Umfragen zufolge aber unwahrscheinlich. Dass die amtierende Regierung Erfolge auf wirtschaftlicher und sozialpolitischer Ebene vorweisen kann, ist ein Wahlargument, das viele Ungarn dazu veranlassen wird, erneut ihr Kreuzchen bei Fidesz zu machen.
Und auch Orbáns Widerstand gegen die EU-Flüchtlingspolitik bringt ihm Stimmen. Die Gegner des Ministerpräsidenten hingegen stellen ihm ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus: Sie werfen Orbán vor, die Medien ganz auf seinen Kurs getrimmt zu haben und zudem Vetternwirtschaft hoffähig gemacht zu haben. Rund acht Millionen Ungarn sind wahlberechtigt, zu besetzen sind 199 Sitze im Parlament.