Stefan Höhm (sh): Ungarn und die Lutherstadt Wittenberg – das ist eine ganz besondere Beziehung. Zum Ausdruck kam das einmal mehr bei den Reformationsfeierlichkeiten, wo es an diesem Wochenende die Ungarischen Tage gab.
Die Schriften und Lehren Luthers verbreiteten sich bekanntlich schon zu Lebzeiten des Reformators in ganz Europa, besonders aber in Ungarn, von wo aus sich 450 Studenten von Luther, aber auch von Philipp Melanchthon angezogen fühlten. Martin Luther erlebte es noch, wie die Stadt Debrecen den Beinamen „Calvinistisches Rom“ erhielt, deren bekanntestes Gebäude bis heute die reformierte Großkirche (Debreceni Református Nagytemplom) ist.
Die besonderen Beziehungen zwischen Wittenberg und Ungarn werden bis heute gelebt. In der Partnerstadt von Békéscsaba wird seit Anfang des Monats bis zum 5. November das sich im Eigentum der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn befindliche Testament Luthers im Wittenberger Augusteum ausgestellt, nun folgten die Ungarischen Tage, an denen gleich zwei Minister der in den westlichen Medien viel kritisierten ungarischen Regierung teilnahmen.
Zur Eröffnung am Donnerstagabend im Lutherhaus wurde der ungarische Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, und der leitende Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Péter Gáncs, begrüßt. Balog, der in den 70er Jahren u.a. in Halle (Saale) studierte, spricht fließend Deutsch und blickte in seiner frei gehaltenen Rede zurück in die Zukunft, als er für die Gegenwart die Wichtigkeit einer Gesprächs- und Streitkultur unterstrich, wie es sie in Zeiten der Reformation gab. Weitere Höhepunkte waren am Freitagabend das Orgelkonzert von László Fassang in der Stadtkirche und am Samstag das Anbringen einer Erinnerungstafel an den „ungarischen Luther“ Matthias Dévai Bíró im Hof der Leucorea. Am Sonntag gab es einen zweisprachigen Gottesdienst in der Schlosskirche, an der Luther einst seine 95 Thesen anschlug.
Kulinarischer Höhepunkt war der ungarische Abend am Samstag im Himmelszelt im Luthergarten mit dem ungarischen Justizminister László Trócsányi als Festredner. Selbstverständlich gab es dabei auch ungarische Musik, und die zahlreichen Ungarnfans hat die Möglichkeit, auch weit entfernt von Puszta und Balaton ein wenig Ungarnluft an einem historischen Ort zu schnuppern, der viel ungarischer ist, als man auf den ersten Blick zu glauben denkt.