Heute vor 465 Jahren, am 18. Oktober 1552, atmete Europa erleichtert auf, als die Türken mit ihrer 60.000 bis 70.000 Mann starken Armee – manche Quellen berichten sogar von 200.000 Soldaten – nach 38 Tagen die Belagerung der Burg von Eger aufgaben. Dabei verteidigten sich dort unter der Führung von István Dobó gerade einmal 2.500 Mann gegen die osmanischen Eroberer.
Soweit die Fakten, die Legendenbildung setzte dann erst Jahrunderte später ein. Heute gehört der Roman „Egri Csillagok“ (Sterne von Eger) zur Pflichtliteratur an ungarischen Schulen. Der Autor Géza Gárdonyi beschreibt dabei die Kämpfe sehr detailliert, Historiker attestieren ihm eine sehr zeitgetreue Darstellung. Dabei lebte Gárdonyi mehr als drei Jahrhunderte später! Und so „würzte“ er seine Schilderungen mit der Legende, dass sich die wenigen ungarischen Verteidiger angesichts der überwältigenden Übermacht der Türken mit Rotwein Mut antranken und dann – mit dem Übermut der Promille und rotgefärbten Bärten – sich auf die Osmanen stürzten und diese vernichtend schlugen. Wegen der rot gefärbten Bärte und Kleidung dachten die Muslime, die keinen Wein kannten, angeblich, die Ungarn hätten „Stierblut“ getrunken.
In Wahrheit beschäftigte man sich in der Weinregion Eger erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit Rotwein. Aber die Legende ist einfach zu schön, um sie bei irgendeiner Stadtführung in Eger auszulassen. Und das „Erlauer Stierblut“ (Egri Bikavér) ist Weintrinkern bis heute ein Begriff.
1596 wurde die Stadt übrigens doch noch von den Türken erobert und 91 Jahre gehalten. 1624 wurde das Minarett gebaut, welches heute das Wahrzeichen der Stadt gilt und das nördlichste osmanische Bauwerk in Europa ist.
Ungarn-TV-Tipp: Schnuppern Sie in Eger ein wenig historische Luft! Die Stadt hat sich in den letzten Jahren richtig schön herausgeputzt. Und – Legende hin oder her – hier schmeckt das „Stierblut“ immer noch am besten.
von Stefan Höhm (sh)