Stefan Höhm (sh): Nach der Empfehlung des Generalanwalts Yves Bot vor dem Europäischen Gerichtshof, die Klagen der Slowakei und von Ungarn gegen die Umverteilung von Migranten aus Italien und Griechenland abzulehnen, ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Aber zunächst der Reihe nach.
Worum geht es eigentlich? Ungarn und die Slowakei hatten zusammen mit Rumänien und Tschechien im September 2015 gegen den Beschluss des EU-Ministerrates gestimmt, wonach bis zu 120.000 Asylbewerber in Europa umzuverteilen sind, um die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland zu entlasten. Ungarn und die Slowakei klagten Ende 2015 gegen diesen Beschluss. Mit der nunmehrigen Empfehlung des Generalanwalts, der in seinem Schlussantrag betonte, dass der Verteilungsmechanismus „wirksam“ und „verhältnismäßig“ und deshalb ein probates Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sei, ist jedoch noch kein Urteil ergangen. Dieses ist vielmehr erst ab September zu erwarten. Der Erfahrung nach Folgen aber die Luxemburger Richter sehr häufig den Empfehlungen der Generalanwälte.
Aus diesem Grund gab es zunächst keine offizielle Stellungnahme aus der Slowakei, die zunächst das Urteil abwarten wollte, während die ungarische Regierung schnell klare Worte fand: in der Empfehlung werde kaum auf die vorgebrachten rechtlichen Argumente eingegangen, sondern vielmehr die bekannten politischen Stellungnahmen wiederholt, was die fehlende rechtliche Grundlage verschleiern soll. Bot habe sich mit seinem Schlussantrag, wie zuvor schon die EU-Kommission und der Europäische Rat, dem Soros-Plan angeschlossen, erklärte Pál Völner, Staatssekretär im Justizministerium. Mit dem „Soros-Plan“ ist die angebliche Absicht des ungarischstämmigen US-Milliardärs George Soros gemeint, Flüchtlingsmassen nach Europa zu lenken und dieses zu islamisieren.
Wenig später, als man sich vom ersten Schock erholt hatte, waren dann auch aus der Slowakei deutliche Stellungnahmen zu vernehmen. Innenminister Robert Kalinak betonte in einer Videobotschaft, dass sein Land „immer gegen Quoten war und immer sein wird“, sein Chef, Ministerpräsident Robert Fico, bezeichnete den Beschluss früher schon als „Diktat“. Der slowakische Innenminister unterstrich, „dass man nicht das Wasser aufteilen solle, wenn es durchs Dach tropft, sondern man müsse dann das Dach reparieren“. Demzufolge sei man jederzeit zur Mithilfe bei der Sicherung von EU-Außengrenzen bereit, nicht aber zur Aufnahme von Flüchtlingen.
Auch der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka erklärte, dass sich der Standpunkt seines Landes in der Sache nicht geändert habe. Vielmehr betonte er zum wiederholten Male, dass die Verteilung der Flüchtlinge schon deshalb ineffektiv und zum Scheitern verurteilt sei, weil diese in wirtschaftlich stärkere Länder weiterziehen würden. Ebenso unterstrich er die Bereitschaft Prags, mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika und dem Nahen Osten bereitzustellen.
Es bleibt also spannend, wie es in Sachen Flüchtlingsverteilung rechtlich und vor allem tatsächlich weitergeht. Aufgrund des nicht enden wollenden Flüchtlingstroms befürchten die vier Visegradländer Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn, dass es im Falle einer Verteilung nicht bei einer bleibt.