Nach dem Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts ist die Verunsicherung unter Deutschlands Autofahrern groß. Sicher ist eigentlich nur, dass Fahrverbote – in welcher Form und welchem Umfang auch immer – vor der Tür stehen. Was bedeutet dieses Urteil aber grundsätzlich für Ungarn?
Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst voraus, sich mit dem ungarischen Automarkt an sich zu beschäftigen. 2017 betrug das Durchschnittsalter der in Ungarn zugelassenen PKW stolze 14,1 Jahre. 10 Jahre zuvor waren es „nur“ 10,3 Jahre, so „jung“ waren die Autos mit dem Länderkennzeichen „H“ nie zuvor und nie mehr danach. Damals wurden binnen eines Jahres mehr als 177.000 Neuwagen in Ungarn unters Volk gebracht. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der damalige „Boom“ war weitestgehend kreditfinanziert. „Wir verkaufen unsere Zukunft“, sagte damals ein Autohändler zum Autor dieses Artikels, „es werden die billigsten Fahrzeuge zu den längst laufenden Krediten verkauft, diese Kunden werden dann in der kommenden Dekade nicht mehr auf dem Markt sein“. Manche Leute könnten sich kein Eis leisten, aber ein neues Autos kaufen, witzelte man Mitte der Nullerjahre in Ungarn.
Und es kam noch schlimmer. Denn viele Kreditverträge liefen in Schweizer Franken, so konnte ein Kleinwagen nach der Finanz- (und Forint-)Krise am Ende zwei- oder drei Mal so viel kosten wie gedacht. Dementsprechend schlecht lief dann auch das Neuwagengeschäft. Den Rückgang gab man hier nicht in Prozenten an, sondern definierte eher, was noch übrigblieb. 2010/11 war es ein Viertel des ursprünglichen Verkaufsvolumens, je ca. 44.000 Neuwagen wurden damals jährlich verkauft. Gleichzeitig war nahm das Volumen importierter Gebrauchtfahrzeuge zu. Zum einen waren viele Autokäufer geläutert, was das Thema kreditfinanzierter fahrbarer Untersatz anging, zum anderen wurden die Vergabekriterien von Anbietern und Gesetzgeber verschärft.
Die Folge dessen war ein Anstieg des Durchschnittsalters von 0,5 Jahren pro Kalenderjahr. 2017 leisteten sich zwar bereits wieder 116.000 Autofahrer einen Neuwagen, gleichzeitig wurden aber auch 155.000 Gebrauchte importiert, von denen 60% mindestens 10 Jahre alt waren. Immerhin sorgten die steigenden Neuverkaufszahlen dafür, dass der ungarische Fuhrpark seit 2014 nicht mehr ganz so schnell altert, das Durchschnittsalter steigt seitdem „nur noch“ 0,2 Jahre pro Kalenderjahr.
Sofern nun Dieselfahrzeuge in Deutschland aufgrund des Urteils oder – damit ist nach derzeitigem Stand in der zweiten Jahreshälfte durchaus zu rechnen – aufgrund tatsächlich ausgesprochener Fahrverbote verkauft werden, sollte das gravierende Auswirkungen auf den Automarkt in Ungarn haben. Es werden so viele Diesel wie noch nie zu einem besseren Preis als bisher angeboten werden. Da die Anschaffungs- und Betriebskosten und nicht irgendwelche Emissionen pro Kilometer zumeist das entscheidende Kaufkriterium – gerade bei älteren Gebrauchten – sein dürften, ist zu befürchten, dass der Feinstaub künftig nicht in Berlin oder München ausgestoßen wird, sondern in Budapest oder Debrecen. Inwiefern es sich positiv auf das Durchschnittsalter der Importe auswirkt, dass auch relativ neue Dieselfahrzeuge preislich unter Druck geraten und damit leichter erschwingbar erscheinen, bleibt abzuwarten.