Stefan Höhm (sh): Das Europäische Olympische Jugendfestival (EYOF) in Győr ist zu Ende, die Olympische Flamme erloschen. Wir haben viel Licht gesehen, aber auch ein paar Schatten.
Die ungarischen und insbesondere die Győrer Medien lenkten schon seit Monaten mit wachsendem Enthusiasmus die Aufmerksamkeit auf die „ersten olympsichen Spiele auf ungarischem Boden”. Bei dieser Formulierung war natürlich auch ein wenig Pathos dabei, aber wenn 2.500 der besten Jugendsportler aus 50 Ländern Europas mit ihren insgesamt 1.100 Begleitern empfangen werden, dann darf man das schon als Großereignis bezeichnen. Hinzu kamen noch 1.700 freiwillige Helfer und die zahlreichen Zuschauer.
Sieben Jahre bereitete sich die Stadt auf diese eine Woche vor. Zahlreiche Sportstätten wurden total neu gebaut, und so hatte man am Ende tatsächlich das angekündigte „Festival der kurzen Wege”: die 11 hochmodernen Wettkampforte liegen sehr kompakt beieinander, auch die Unterkünfte waren in der Nähe. Wenn es der Stadt nun noch gelingt, ein langfristiges Nachnutzungskonzept auch wirksam umzusetzen, werden die Einwohner für viele Jahre von diesen nicht nur sportlichen Infrastrukturmaßnahmen profitieren. Auch von Seiten der Sportler konnte man viel Lob hören, sie konnten sich optimal auf ihre Wettkämpfe konzentrieren, was zahlreiche persönliche Bestleistungen zur Folge hatte. Insofern haben sich die Organisatoren höchstes Lob redlich verdient, zumal der unglaublich viele Regen den Ablauf nicht erleichterte.
Dennoch konnten wir es nicht nachvollziehen, wieso der Győrer Oberbürgermeister Zsolt Borkai, 1988 in Seoul am Seitpferd selbst Olympiasieger, schon vor der Eröffnung quasi selbstlobend vom „besten Europäischen Olympischen Jugendfestival aller Zeiten” sprach. Eigenlob – zumal im Voraus! – hat immer einen gewissen Stallgeruch und erscheint voreilig. In Sachen Pressearbeit lief nicht alles organisatorisch rund, so kann man anmerken, daß ausländische Medien anscheinend nicht auf einer Höhe mit den den lokalen Medien gestzt waren, denn hier war für die Journalisten die ein oder andere Hürde auch neben den Sportstätten zu nehmen. So ist es denn auch kaum verwunderlich, dass sich fast keine deutschen Kollegen auf den Weg nach Ungarn machten und sich die Spiele medial eher in den ungarischen sozialen Netzwerken abspielten, nicht aber in den deutschen. Hier hat die Stadt Győr unserer Meinung nach eine wirklich große Chance verpasst, sich als Touristenziel im Hauptquellmarkt Deutschland zu präsentieren! Dazu beigetragen hat auch das verworrene Ticketvergabesystem. Der Eintritt zu den Sportveranstaltungen war kostenlos, aber auf den Portalen wurden vor allem ausländische Interessenten schon lange mit einem „ausverkauft” abgeschreckt – es wurde leider überhaupt nicht kommuniziert, dass ca. 25% der Tickets erst unmittelbar vor den Wettkämpfen verteilt werden. So vergraulte man potentielle Olympiastouristen. Von Zuschauern, die ihren eigenen Nachwuchs anfeuern wollten, hörten wir auch, dass sie regelmäßig bis zu 40 Minuten warten mussten, um ihre schon lang gesicherten Eintrittskarten dann auch wirklich physisch zu bekommen. Auch hätte es gut getan, zu den Stoßzeiten mehr Kontrolltore aufzumachen und die 10-Minuten-Taktfrequenz der Shuttlebusse dem dann sehr hohen Bedarf anzupassen. Dennoch darf unter dem Strich festgehalten werden, dass es das bis dato beste Europäische Olympische Jugendfestival war.
Sehr gut vorbereitet zeigten auch sich die 152 Sportler des Gastgeberlandes. Am Ende lag Ungarn in der Nationenwertung mit 13 Gold-, 14 Silber- und 14 Bronzemedaillen auf einem hervorragendem 3. Platz, hinter den allen Ländern weit vorauseilenden Russen (30/19/12). Deutschland (5/8/4) kam auf den 6. Platz. Es war schon ein wenig „verwunderlich”, als die deutsche Chefin de Mission, Sabine Kapf, im Vorfeld verlautbaren ließ, man „fahre ohne Zielvorgabe nach Ungarn, aber wenn man um Medaillen mitkämpfen könne, umso besser”. Eine Wirtschaftsmacht wie Deutschland sollte in der Lage sein, auch und gerade im Nachwuchsbereich solche Strukturen aufzubauen und zu nutzen, die den Anhängern Mut für die Zukunft macht. Und da würde man sich bei einem Festival, das sich den wegweisenden Slogan „Jetzt ein Talent, ein Idol der Zukunft” gibt, schon wünschen, dass die Ansprüche auch dementsprechend formuliert werden.
Aber anscheinend gibt es auf deutscher Funktionärsebene derzeit einige Grabenkämpfe. So war aus den Reihen der deutschen Schwimmdelegation zu hören, dass fast ein halbes Dutzend der Spitzentalente zu Hause geblieben ist: wer gewisse Normen erreichte, „muss” zur Jugend-WM im nächsten Monat in den USA. Den Zeiten nach werden die meisten von ihnen dort wohl kaum Erfolgserlebnisse haben, beim EYOF hätten einige ohne weiteres um die (Gold-)Medaillen mitschwimmen können, was sehr demotivierend sei.
Denn eines haben die Tage in Győr auch gezeigt: Sport verbindet über Grenzen hinweg, er kann motivieren und lebenslange Erinnerungen schaffen. Natürlich ging es auch darum, dass sich die Generation, die im nächsten Jahrzehnt um Olympiamedaillen kämpfen wird, hier das erste Mal „beschnuppert”. Nach dem Ende der Wettkämpfe stieg der Partyfaktor in den einzelnen Sektionen aber merklich an. Auch dafür bietet Győr bekanntlich einige gute Möglichkeiten.