Stefan Höhm (sh): Wer schon einige Jahre die Nachrichten aus Mittelosteuropa verfolgt, wird hin und wieder davon gehört haben, dass westliche Lebensmittelkonzerne dort – angeblich – Waren mit schlechterer Qualität verkaufen. Meist verliefen diese Diskussionen im Sande, jahrelang passierte im Prinzip nichts. Ein typisches Sommerlochthema eben.
So dachten wohl auch die Produzenten in diesem Frühjahr, als – wieder einmal – dieses Thema auf den Tisch kam. Schnell wurden die Pressesprecher vorgeschickt, die etwas von „regionalen Geschmäckern und Gewohnheiten“ oder „Anpassung an die Nachfrage des Marktes“ sprachen und wohl hofften, den Ball erneut flach gehalten zu haben.
Doch so einfach war und ist es diesmal nicht. Sofern von der im Westen wenig beliebten ungarischen Regierung und deren Vertretern Beschwerden zu hören waren, konnte man in den Medien zwar auch diesmal hämische Kommentare mit dem Hinweis auf „subjektive Geschmäcker“ lesen. Aber in den letzten Wochen war auch in den drei anderen Visegrádländern Polen, Tschechien und der Slowakei immer wieder von „Lebensmittelrassismus“ zu lesen. Insbesondere der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ließ in den vergangenen Wochen bei diesem Thema nicht locker und erklärte es zur Chefsache. Und diesmal verhallten die Argumente nicht ungehört.
Denn mit „Anpassungen an regionale Märkte“ oder anderen „Geschmäckern“ kann man nicht ernsthaft argumentieren, wenn in Fischstäbchen von Iglo weniger Fisch oder in der Coca Cola der Zucker durch irgendwelche – freilich immer billigeren – anderen Stoffe ersetzt wird. Gleiches oder ähnliches war auch von Nutella, Instantsuppen von Knorr oder Keksen von Bahlsen zu lesen, wobei diese Aufzählung keineswegs abschließend ist.
Wer einmal in einen grenznahen österreichischen Lebensmittelmarkt geht, kann ohnehin sehen, was die betroffenen Verbrauchern von den „regionalen Unterschieden“ halten: Ungarn oder Slowaken kaufen massenweise beim Nachbarn Lebensmittel, auch Waschmittel steht immer wieder auf den langen Einkaufszetteln. Und dabei spielt nicht nur die bessere Qualität, sondern auch der meist günstigere Preis und die oftmals größeren Verpackungseinheiten ein nicht unwesentliche Rolle.
Diesmal eskalierte der Streit sogar soweit, dass Fico ein „rasantes“ Einschreiten der EU-Kommission gegen unterschiedliche Qualitätsstandards forderte und sogar mit „Boykotts und Sanktionen gegen andere EU-Länder“ drohte. Der langjährige slowakische Ministerpräsident dürfte freilich wissen, dass dies innerhalb der EU wegen des Binnenmarktes praktisch unmöglich ist, zumal die Kommission schon im Frühjahr kommunizierte, dass ihr hier die Hände gebunden seien und vielmehr die nationalen Verbraucherschutzbehörden ihre Kompetenzen ausnützen müssten.
Der erfahrene Politiker Fico weiß aber auch, dass es bei seinem Job einen Unterschied zwischen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten gibt. Und so überraschte es gar nicht mehr so sehr, als der Kekskonzern Bahlsen dieser Tage verkündete, Butterkekse in Zukunft auch für Osteuropa ausschließlich nach deutschem Rezept herzustellen, also ausschließlich mit Butter und ohne Palmöl, womit man einem Wunsch der Verbraucher nachkomme, der im Rahmen der Globalisierung zunehmend die Erwartung habe, dass Produkte demselben Standard entsprechen, unabhängig davon, wo er sie kauft.
Somit bleibt zu hoffen, dass die Pressesprecher anderer Lebensmittelproduzenten zeitnah ähnliche „Erkenntnisse“ zu verkünden haben.