Stefan Höhm (sh): Die erste Hälfte der Schwimm-WM in Budapest ist absolviert. Für manchen Fan geht es auch erst jetzt richtig los, denn die Beckenwettbewerbe starteten erst am gestrigen Sonntag. Bisher kämpften die Wasserspringer und Freiwasserschwimmer um das begehrte Edelmetall.
Aus deutscher Sicht verlief die bisherige WM enttäuschend. Die Freiwasserschwimmer, die bisher immer WM-Medaillen aus dem Wasser fischen konnten, gingen diesmal komplett leer aus. Nicht einmal eine einstellige Platzierung konnte erreicht werden, nachdem man vor 2 Jahren im russischen Kasan noch einmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze auf der Habenseite zu stehen hatte.
Das Deutschland im Medaillenspiegel – zusammen mit Nordkorea – auf Platz 14 liegt, hat man einzig Patrick Hausding zu verdanken, der vom 3-m-Brett Vizeweltmeister wurde und sich mit seinem Partner Sascha Klein die Bronzemedaille beim 10-m-Synchronspringen sicherte.
Es ist aber kaum zu erwarten, dass die deutsche Bilanz durch die Beckenschwimmer großartig verbessert werden kann. Auf das Desaster von Rio, wo kein Deutscher auf dem Podest stand, reagierte der Deutsche Schwimmverband diesmal so, dass nur noch 14 Athleten überhaupt zu WM mitfahren durften, denn man hatte die internen WM-Normen zuvor extrem angezogen: diese lagen bei den Zeiten der Achtplatzierten der Olympiafinals im letzten Jahr in Rio. Mit anderen Worten: man musste schon Wochen vor der WM verdammt schnell sein, um dieses Ziel zu schaffen. Vor 2 Jahren bei der WM in Kasan verzichtete man noch auf solche „harten“ Normen, da sich die Sportler ansonsten bereits im Vorfeld des Saisonhöhepunkts im Leistungshoch befänden und bei der WM dann nicht mehr die Topleistungen abrufen könnten. Diesmal setzte sich bei den Funktionären eine andere Philosophie durch, wobei nur am Rande bemerkt sei, dass der Chefbundestrainer immer noch Henning Lambertz heißt.
Schon daran kann man sehen, dass der DSV derzeit anscheinend über kein langfristiges Konzept verfügt, wie der deutsche Schwimmsport aus der Krise geholt werden kann. Es ist ganz klar festzustellen, dass man sich jahrelang von den Erfolgen blenden ließ, die einzelne Vorzeigeschwimmer wie Paul Biedermann oder Britta Steffen im Becken oder ein Thomas Lurz im Freiwasser holten, dabei aber die Nachwuchsarbeit in der Breite sträflich vernachlässigte. In der Folge ist das mediale Interesse an den Weltmeisterschaften an einem Tiefpunkt angelangt, wer auf den hinteren Fernsehkanälen doch fündig wurde, freute sich wahrscheinlich schon, dass kein Deutscher ertrunken ist. Schade ist dabei nur, dass es die Sportler nun im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden müssen.
Gastgeber Ungarn hat aktuell auf der Habenseite „nur“ eine Bronzemedaille der 4×100 m Freistilstaffel der Männer, was der guten WM-Stimmung aber keinen Abbruch tat. Schon vorher war klar, dass die Schwimmnation im Becken eine Macht ist: die 7 Schwimmmedaillen holte man in Rio 2016 allesamt im Becken und war damit das stärkste europäische Land. Von der Euphorie um das Wasserballteam, von 2000 bis 2008 dreifacher olympischer Champion, ganz zu schweigen.